Dass ich mich hin und wieder mit meiner Freundin Tanja treffe um Fotos zu machen ist wohl nichts neues mehr.
Es ist eine Win-Win-Geschichte:
Sie hat ein Model vor der Linse, dass so gut wie alles mit ihr ausprobiert, es auch verkraftet wenn mal nichts oder nur wenig bei einem Shooting rauskommt, kann üben ihrem Model Hinweise für gute Posen zu geben, sich im Bereich Bildbearbeitung auslassen wie sie möchte und schließlich habe
ich am Ende des Tages eine Hand voll schöner Fotos für mein digitales Ich.
Im November wollte Tanja sich an einem „Home Shooting“ versuchen und mir passte das total gut, weil ich hier mal einen Artikel zum Thema „Expectation vs. Realitiy“ schreiben wollte.
Über die Erwartungshaltung, die insbesondere Instagram vermittelt:
- wir sitzen nach Feierabend alle ständig mit nichts als einem Kuschelpullover und dicken Wollsocken bekleidet in unseren lichtdurchfluteten, zart pastellig oder vintage warm zimtig eingerichteten Wohn- und Esszimmern
- Fernseher gibt es gar nicht: wir lesen, schreiben, planen unser perfektes Leben in unserem selbst gestalteten Kalender oder schauen in tiefgründige Gedanken verloren in die Ferne/Kaffeetasse
- unser Essen ist frisch, farbenfroh und sieht besser aus als in den Kochbüchern der 90er
- die pastelligen oder zimtigen Wohnungen und Villen sind IMMER aufgeräumt und wozu braucht man ein Fotostudio? Zu Hause kann man wirklich die aller besten Fotos machen!
„Selbst“darstellung
Gestern waren der Froschkönig und ich mit einem anderen Pärchen essen. Ganz bodenständig in einem Steakhaus ziemlich außerhalb von Köln. Irgendwie kam ich mit ihr, also Pia, ins Gespräch über Bachelor-, Diplom- und Masterarbeiten, in ihrer Bachelorarbeit hat sie über soziale Netzwerke geschrieben, bzw. darüber, dass wir sie nutzen um uns „selbst“ darzustellen. Wobei ich das „selbst“bewusst in Anführungszeichen setze, da unsere Darstellung ja nicht zwangsläufig etwas mit uns zu tun haben muss. Dieses Gespräch ging inhaltich genau in die Richtung, über die ich ja noch einen Blogartikel verfassen wollte.
Wer sich beispielsweise meinen Instagramaccount ansieht hat vermutlich folgendes Bild im Kopf:
Andrea beschäftigt sich intensiv mit ihrem Äußeren, insbesondere Haare und Make Up wobei es ihr auf das Ergebnis ankommt, nicht auf die Produkte.
Sie hat sehr viel zu tun, denn es gibt immer wieder längere Phasen, in denen sie nichts postet und Urlaubsfotos gibt es auch nicht, sie macht sicher keinen Urlaub.
Andrea hält sich mit Yoga fit und sucht ihre Freundinnen nach der Haarlänge aus.
Ähm ja. Nein. Tatsächlich bin das nicht ich.
Make Up trage ich nur selten, dafür aber fast immer, wenn Tanja mich ablichtet. Meine Haare sind im Alltag an 8 von 10 Tagen im Dutt. In der übrigen Zeit lasse ich sie nach dem Waschen trocknen.
Meine Zeit verbringe ich überwiegend im Krankenhaus, schließlich arbeite ich da. Für Fotos habe ich während meiner Arbeit tatsächlich keine Zeit. Ansonsten sollte ich wirklich weniger Zeit haben, schließlich studiere ich nebenher. Doch anstatt zu recherchieren verbringe ich gefühlt sehr viel Zeit damit irgendwelche Serien oder Filme zum x-ten mal anzusehen.
Sport mache ich mal mehr und mal weniger. Aktuell wieder weniger, weshalb das mit dem Skorpion wohl dieses Jahr nichts mehr wird.
Was komplett fehlt: an manchen Tagen koche ich unglaublich gern, an anderen ernähre ich mich nur von Toastbrot und Schokolade, dabei trinke ich oft zu wenig.. Was das Aufräumen angeht würde ich mir wünschen, dass ich Ordnung halte statt alle 2-3 Tage wieder neu Ordnung zu schaffen. Irgendwann wird mir das auch gelingen (und während ich das schreibe unterbreche ich kurz und räume die beiden Matcha-Schalen von vor 1,5 Stunden in die Spülmaschine…).
Das Thema „Selbst“darstellung hat aber ja auch eine andere Seite, die Wahrnehmung der anderen. Und eben die Erwartung. Wie fühle ich mich denn, wenn ich weiß, wer ich wirklich bin und ständig auf Instagram das „Selbst“ der anderen sehe? Diese stylischen Wohnungen, das lässige Rumsitzen, Vorher-Nachher-Fotos mit den super Sporterfolgen, Urlaubsfotos von weißen Sandstränden, Yogaposen mitten in London oder New York und dazu immer diese tiefgründigen Bildunterschriften, die absolute Gelassenheit vermitteln dazu animieren man selbst zu sein, sich mit positiven Dingen zu befassen, die Welt zu verbessern indem man mit kleinen Schritten bei sich selbst anfängt, jeder kann alles erreichen was er möchte, …
Ich bin fimpschisch und neidisch (jetzt geht die Karnevalistin mit mir durch)
Ganz ehrlich?
Obwohl ich weiß, dass all das nicht die (ganze) Realität ist, sondern nur ein Teil, den man gerne zeigt und mit dem manche der Accountinhaber auch Geld verdienen, ensteht bei mir selbst (keine Anführungszeichen!) der Anspruch, dass ich das auch schaffe, dass ich das auch bin. Schließlich kann das ja jeder. Und wenn ich nur richtig Sport mache, mich echt dahinter klemme, mir selbst das genug wert bin, dann schaffe ich auch so einen Vorher-Nachher Vergleich nach 2 Monaten. Dann komme ich innerhalb von 3 Monaten von „ich bin froh, dass ich meinen Fuß auf Pohöhe greifen kann“ zur vollständigen „Tänzerpose mit über die Schulter gegriffenem Fuß“. Wenn ich mich selbst gefunden habe freue ich mich auf jeden Tag, genieße jeden Augenblick und bin völlig gelassen, wenn etwas mal voll in die Hose geht. Wobei dann ja nichts mehr schief läuft.
Es entsteht ein gewisser Leistungsdruck etwas vorzeigen zu können. Jedenfalls bei mir.
Ich habe jetzt 2x angefangen zu beschreiben, wie ich so etwas erreichen könnte, tatsächlich wird mir das aber für diesen Artikel zu lang. Wo ich drauf hinaus möchte:
Ich beneide diese „digitalen Ichs“. So ein entspanntes, gelassenes und dabei sowohl sinnstiftendes als auch luxuriöses Leben hätte ich auch gern. Egal ob diese Leben real sind oder nicht. Und gleichzeitig bin ich nicht bereit mich dafür von meinem bequemen Sofa runter zu bewegen, finanzielle Einbußen in Kauf zu nehmen und Zeit und Kraft in etwas neues zu investieren ohne zu die Sicherheit zu wissen, was dabei in 2 oder 3 Jahren raus kommt.
Manchmal bin ich (auch deswegen) traurig, manchmal spornt es mich eher an. Und es macht mir auch immer wieder Angst: wohin führen uns diese „Selbst“bilder?
Ich bleibe erstmal in meiner sicheren Realität. Nach der Arbeit wird die Jeans gegen eine Yogahose getauscht und ich setze mich auf’s Sofa, fahre hin und wieder nach Aachen zum Yoga, zum Karnevalsverein oder treffe mich mit Freunden. Manchmal mache ich auch regelmäßig mehr Sport, aber nicht so viel und über einen so langen Zeitraum, dass es reichen würde um irgendwem als Vorbild zu dienen. Und wenn ich mir dabei den Verlauf der letzten Jahre so ansehe, mit kleinen Schritten, wird es bei mir besser. Was mich dabei ganz besonders freut ist, dass es mir aktuell doch recht gut gelingt meine echten Kontakte zu pflegen. In diesem Sinne bin ich dann jetzt auch mal weg, einkaufen, Plätzchen backen und vielleicht sogar ein wenig Sport?
Urlaub ist echt etwas ganz, ganz feines!
Liebe Andrea! Du sprichst mir aus der Seele. Ich hab mir auch schon öfter solche Gedanken gemacht und manchmal führt es dazu, dass ich mir keine Yoga-Profile mehr auf Instagram anschaue, weil es mich frustriert (ja, im Yoga geht es nicht um Vergleich, ich weiß). Und ein anderes Mal motiviert es mich wieder.
Du siehst, es geht mir ähnlich. Danke für den großartigen Blogpost!
Ich glaube es ist menschlich dass wir vergleichen. Auch beim Yoga. Wenn ich z.B. bei den Yogastunden bin vergleiche ich zwar nicht, ob meine Mutter tiefer in die Vorbeuge kommt oder so. Was ich aber vergleiche sind die Fortschritte. Und dann auch immer mit dem Gedanken: naja, aber xy macht halt 5-7x pro Woche Yoga, würde ich das doch nur auch machen und meine Posen so „voran“ bringen. Ich glaube, das ist in so einer Form selbst nach „yogischen“ Gesichtspunkten wieder ok…
Und trotzdem kenne ich auch den Gedanken, dass ich eben die Disziplin nicht habe und es daher eventuell nie zum Skorpion schaffe… mal motiviert mich das zu mehr Disziplin, und mal bringt es mich dazu, mich in eine Decke einzurollen.
Daaaaaaanke auch für deinen Kommentar!
Anderer Mensch, ganz andere Sichtweise, aber interessant zu lesen. Ich stöbere auch gerne auf Instagram, aber ich habe noch nie die Menschen auf den BIldern beneidet, weil mir in jedem Moment absolut bewußt ist, dass das ein Fotoshooting ist und nicht die Realität abbildet. Ich bewundere dafür den Fotografen wie er/sie das so schön umgesetzt hat und versuche daraus zu lernen und mal das eine oder andere in meiner Bildgestaltung und Bildbearbeitung davon umzusetzen oder auszuprobieren. Deshalb würde ich auch so gerne mit Tanja Weber mal losziehen, wahrscheinlich wäre ich mindestens genauso oft hinter der Kamera als davor, aber naja…
Ich finde übrigens, dass du nicht so eindimensional rüberkommst wie du vermutest. Deine zweite Eigenbeschreibung kam zumindest viel näher an meine Vorstellung von dir heran als die von dir vermutete Außenwarnehmung. Und yeah, ein Hoch auf den gemütlichen Fernsehabend!
Hallo Stefanie, bewusst bin ich mir dessen ja auch immer, und trotzdem macht mein Unterbewusstsein da nicht immer positive Gefühle draus…
Warum naja? Wohnst du so weit weg oder warum ist ein Shooting mit Tanja unrealistisch? Schreib sie doch einfach mal an, vielleicht lässt sich das ja mit einem Urlaub/Wochenendtrip verbinden?
Danke auch besonders für dein Feedback dazu, dass ich nicht ganz so „platt“ rüberkomme. Wobei ich glaube ja, dass es nochmal einen Unterschied macht, ob man nur mein Instagramprofil kennt oder auch mein Blog…
Ich wohne ich Schwaben. Ich hab ihr schon angeboten, dass sie mich gerne anschreiben kann, falls sie mal in der Gegend ist. Ich weiß nur nicht wieviel ihr das tatsächlich bringen würde, da profitiere ich mehr als sie. Ich glaube ich bin vor der Kamera eine ziemliche Niete und von einem Einzelfotografieworkshop hat sie ja eigentlich keinen Nutzen.
Das stimmt, das kann natürlich nochmal einen Unterschied machen, da ist ein Instagram Profil einfach eindimensionaler. Das wird aber bei jedem so sein, normalerweise beschränkt man sich ja auf ein oder zwei Aspekte seines Lebens, die man gern festhält. Für alles andere gibt’s Blogs. 🙂
Ich erinnere mich dunkel an einen Kommentar bei Instagram, aber mein Gedächtnis ist ein furchtbares Sieb. Hilfst du mir bitte auf die Sprünge? (Furchtbar peinlich, ich kann mir quasi nichts merken, ich muss mir immer alles aufschreiben…)
Ich hatte bisher nur ein einziges Mal jemanden vor der Kamera, die Modelerfahrung hatte. Das wars. Meine sonstigen Modelle haben keinerlei Erfahrung. Mal abgesehen von Andrea, aber das ist auch alles von ihr selbst erarbeitet. Insofern ist es nicht relevant, wie man vor der Kamera ist. Ich finde es wichtig, dass man sich Zeit nimmt, wenn man sich kennen gelernt hat und sich entspannt, entstehen echt schöne Bilder. Tatsächlich ist es für mich in der aktuellen Phase sehr wichtig, Menschen ohne Modelerfahrung zu fotografieren. Sofern es mir zeitlich im nächsten Jahr möglich ist, möchte ich nebenberuflich in der Fotografie nochmal durchstarten. Und meine Kunden werden vermutlich vor der Kamera sehr unerfahren sein, umso wichtiger ist es, dass ich lerne, damit umzugehen und anzuweisen. Damit ich das lernen konnte, habe ich in diesem Jahr viele Menschen fotografiert 🙂 Das war und ist unheimlich bereichernd und ich freue mich, dass ich mir damit auch ein repräsentatives Portfolio aufbauen kann.
Stimmt, das war auf Andreas Instagram Account. Mein Name dort ist _dezemberschnee_.
Klingt spannend. Ich wünsch dir viel Erfolg mit deinem Durchstarten in der Fotografie! Das Talent dazu hast du auf jeden Fall!
Vielleicht klappt es ja mal, dass du hier bist und falls ich mal in deine Gegend kommen sollte, melde ich mich gerne. Und falls du mal Fotokurse geben solltest, sag bescheid, eine Interessentin hast du.
Liebe Andrea, ich lese manchmal aber nicht regelmäßig deinen Blog. Diesen offenen Artikel habe ich gern gelesen. Bleib wie du bist. Lass dich nicht von den selbst Insizinierern beinflussen.
Die dich sich da so inzinieren sind eine kleine Minderheit, das ist alles nicht real, die meisten von uns haben ein ganz „langweiliges“ normales Leben. Du hast den meisten passiv Konsumenten voraus, auf deinem Blog auch aktiv zu produzieren. Dabei scheinst du eine gute Balance zu finden. Ein bisschen träumen, ein bisschen teilen, aber weder in Luftschlössern oder Selbstdarstellung verloren zu gehen.
Bleib so.
Liebe Lotta,
das passt ja gut, ich blogge ja auch nur manchmal 🙂
Danke für deine lieben, unterstützenden Worte. Ich versuche derweilen noch etwas mehr rauszufinden, wer ich denn so wirklich bin!
Lieben Gruß!
Hallo Andrea, ich bin neu auf Deinem Blog.
Entdeckt habe ich ihn über Haselnussblond, Heike, auf deren Blog ich auch erst vor wenigen Wochen aufmerksam wurde. Seither aber verfolge ich ihn mit großer Leidenschaft und Freude. Auch Deinen Blog finde ich ganz großartig und ich hätte auch große Lust einen eigenen zu starten, soviel Freude macht ihr mir. Angefangen hat das ganze vor einigen Wochen, nachdem ich beschlossen hatte meine Haare wieder lang wachsen zu lassen und mit diverse Tipps auf dem Internet gesucht hatte, weil mir die Wachserei einfach viel zu langsam geht. So bin ich auf Euer beider großartigen Blogs gestoßen und hab mir diverse Anregungen geholt. Nicht nur rund ums Thema Haar, sondern allgemein. Es macht richtig Freude die alltäglichen Probleme jeder Frau von einer Seite zu sehen, wo man auch noch entdeckt, dass es jedem gleich geht. Ich werde ab sofort auch auf Deinem Blog häufiger rumstöbern, mich inspirieren lassen und Halt suchen, wenn ich denke, meine kleinen Probleme erdrücken mich.
Vielen Dank, Alles Liebe Sabine